Lernen
Eine von Hundebesitzern häufig gestellte Frage lautet: „Wie lange dauert es denn, bis mein Hund…lernt/kann?“
Die Antwort ist einfach: Je logischer und sinnvoller einem Hund etwas ist, um so lieber, leichter und schneller lernt er es auch.
Grundlegende Verhaltensweisen wie z.B. „Sitz“ oder „Platz“ müssen dem Hund nicht eigens beigebracht werden, er kann sich von Natur aus hinsetzen oder -legen. Wir müssen ihm nur noch einen sinnvollen Grund geben, es zu einem von uns bestimmten Zeitpunkt und auf ein von uns gegebenes Signal zu tun; hierfür sind weder Druckausübung noch eine „Überredung“ bzw. Bestechung des Hundes durch Leckerli nötig, denn der Hund braucht weder eine extra Belohnung für Dinge, die er prinzipiell von sich aus tut, noch muss man ihn dazu zwingen.
Lesen Sie hier, warum das so ist:
Mit dem sozialen Rudelinstinkt als genetisch verankerter Voraussetzung ist jedem Hund gleichzeitig auch die Fähigkeit des sozialen Lernens angeboren. Da der Hund als „unfertiges“, d.h. hilfs- und entwicklungsbedürftiges Wesen zur Welt kommt, benötigt er neben seinen instinktiven Anlagen die Hilfe, Unterstützung und das Vorbild seiner Eltern und weiteren erfahreneren Familienmitglieder, um überhaupt überleben und sich seiner jeweiligen Umwelt so anpassen zu können, dass es für sein weiteres Leben Nutzen, Vorteile bringt. Die Evolution hat bewiesen: Wer sich seiner Umwelt am besten anpasst, hat auch die besten Überlebenschancen. Somit besitzt der Hund ganz natürliche und egoistische Gründe, sich seiner Umgebung durch Lernen anzupassen. Tut er etwas nicht, so liegt es nicht daran, dass er zu „dumm“, zu „stur“ oder gar „gestört“ wäre, sondern einfach daran, dass er sein soziales Umfeld nicht verstehen bzw. keinen Nutzen, Vorteil für sein Leben darin sehen kann, sich diesem anzupassen oder bestimmte, vom Menschen gewünschte Verhaltensweisen zu zeigen.
Natürliche Veranlagung und Lernfähigkeit/Anpassung sind also keine sich gegenseitig ausschließende Gegensätze, sondern Komponenten, die miteinander in Verbindung stehen. Das heißt konkret, dass der Hund kein einseitig „triebhaft“ handelndes bzw. seinen Trieben hilflos ausgeliefertes Wesen ist, sondern geistig äußerst flexibel: Hunde können denken und Entscheidungen treffen, sie lernen an Vorbildern und sind in der Lage, durch reines Beobachten Problemlösungen zu finden. Sie lernen nicht nur durch Versuch und Irrtum, das wäre in freier Natur viel zu gefährlich. In einer riskanten Situation kann ein Irrtum tödlich sein; Hunde orientieren sich hier deshalb lieber am Vorbild älterer und erfahrener Sozialpartner ihres Rudels, die ihnen Schutz und Sicherheit bieten und denen sie vertrauen. Das in den 70er Jahren propagierte „Triebmodell“, das den Hund als triebgesteuertes Wesen betrachtet und behandelt, ist verhaltenswissenschaftlich längst widerlegt und besitzt höchstens noch historischen Wert.
Vielmehr ist mittlerweile klar, dass Hunde – ähnlich wie andere sozial lebende Säugetiere wie etwa Schimpansen oder Wale (oder auch der Mensch) – auf der Grundlage ihrer natürlichen Voraussetzungen nicht nur lebenslang lernfähig sind, sondern auch gruppenspezifische Arbeitstechniken und Kulturen entwickeln. Dabei handelt es sich deswegen um richtige Kulturen, weil sie von Gruppe zu Gruppe ein und derselben Art vollkommen unterschiedlich sein können. Bei Hunden sind dies z. B. ganz spezielle Jagdtechniken, die innerhalb einer Familienstruktur entwickelt und praktiziert werden – abhängig davon, welches Beutetier gejagt wird und welche Aufgaben hierfür erforderlich sind.
Daneben besitzt jeder gemeinschaftlich bzw. innerhalb seines Rudels jagende Hund aber auch die Möglichkeit, sich gegebenenfalls alleine/solitär eine entsprechende Beute zu erjagen und sich somit (zeitweise) sein Überleben zu sichern oder auch, sein Rudel ganz zu verlassen, um eine eigene Familie zu gründen.